Aus Eifersucht tötet Woyzeck seine Geliebte Marie. Inspiriert durch einen echten Mordfall aus dem Jahr 1821, verfasste der erst 23-jährige Georg Büchner sein Dramenfragment Woyzeck, das für unser diesjähriges Deutsch-Abitur von zentraler Bedeutung ist.
Nach intensiver Auseinandersetzung mit dem Drama, den psychischen Problemen Woyzecks, seiner oberflächlichen Beziehung zu Marie und seiner Stellung in der Gesellschaft, dachten wir, alle Blickwinkel zu kennen. Doch die Inszenierung von Woyzeck im Theater Freiburg am Dienstag, den 21.01.2025, belehrte uns eines Besseren.
Nach einem langen Schultag machten sich die beiden Deutsch-Leistungskurse in Fahrgemeinschaften auf den Weg zum freiwilligen Theaterbesuch im Theater Freiburg.
Bereits beim Betreten des Saals und beim ersten Blick auf die Bühne wurde deutlich, dass es sich bei dieser Inszenierung um eine moderne Interpretation handeln würde. Ein schäbiges Häuschen, grelle Farben, auffällige Beleuchtung und der Dampf einer E-Zigarette aus einer Ecke prägten das Bühnenbild.
Im Stück selbst stand die Änderung der Hauptfigur in eine Frau, Marie Woyzeck, im Mittelpunkt. Sie ist keine Soldatin, sondern Waldarbeiterin und bricht unter der Last ihrer zahlreichen Jobs und ihrer Rolle als Mutter zusammen. Der wesentliche Aspekt des Erbsenexperiments und die daraus resultierende, mögliche Schizophrenie bleibt auch bei Marie ausschlaggebend dafür, dass sie nicht nur ihren untreuen Freund, sondern auch ihren Umkreis ermordet. Oder etwa doch nicht? Die Inszenierung verändert den Ausgang des Stücks erheblich, was die Frage aufwirft, ob das vor allem an der Veränderung der Geschlechterrollen liegt.
Auch wenn der Originaltext Büchners in der Freiburger Aufführung weitgehend unberührt bleibt, verleiht die Abwandlung des Tambourmajors zur Sängerin der Inszenierung einen Hauch Wahnsinn. Diese Veränderung und die modernen Elemente verstärken die Ausgefallenheit und Verrücktheit, die das Stück so besonders gemacht haben und dafür sorgten, dass einem nach der Vorstellung auch erst mal die Worte zum Austausch gefehlt haben.
Die moderne Inszenierung im Theater Freiburg war somit eindrucksvoll und regt zum Nachdenken über gesellschaftliche Strukturen und individuelle Schicksale an.
Ein Bericht von Michelle Koschella